Was bedeutet der gemeinsame EAWU-Arzneimittelmarkt für Hersteller und Händler?
Bonn (GTAI) - Der gemeinsame Arzneimittelmarkt der EAWU ist mit vielen Vorteilen verbunden, bringt für Hersteller und Händler pharmazeutischer Produkte aber auch Herausforderungen mit sich. Wer in die EAWU exportiert, kann sich jedoch mit drei Schritten gut vorbereiten. / Von Karin Appel
Der Übergang zu einem gemeinsamen Markt für Arzneimittel in der EAWU ermöglicht der Branche die Einsparung von Kosten und Zeit. Dadurch, dass Hersteller ihr Arzneimittel nur einmal registrieren müssen und diese Registrierung auf dem gesamten Hoheitsgebiet der EAWU gültig ist, steigt der Marktabsatz deutlich.
Zusätzlich hat die EAWU ihren regulatorischen Rahmen weitestgehend mit den Standards der EU, der International Conference on Harmonization (ICH) sowie der European Federation of the Pharmaceutical Industry and Associations (EFPIA) harmonisiert. Dadurch müssen sich Hersteller aus der EU nicht mehr mit neuen komplizierten Regularien befassen, sondern können ihr vorhandenes Knowhow nutzen.
Ein weiterer wesentlicher Vorteil zeigt sich darin, dass durch die Harmonisierung des Zulassungsverfahrens für Arzneimittel optimale Voraussetzungen für Sortimentserweiterungen und Neubeschaffungen geschaffen werden und somit das Marktvolumen steigt.
Ein zentrales Hindernis stellen immer noch die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze für Arzneimittel in den Mitgliedstaaten der EAWU dar: In Kasachstan und Belarus wird keine Mehrwertsteuer erhoben, in Russland sind es 10 Prozent, in Kirgisistan 12 Prozent und in Armenien 20 Prozent. Bleibt es bei den unterschiedlichen Steuersätzen, so werden die Staaten mit einem niedrigeren Steuersatz als Absatzmarkt attraktiver, denn so können höhere Gewinne erzielt werden. Staaten miteinem höheren Steuersatz dürften sich gegen eine Steuersenkung sträuben, da sie damit gleichzeitig ihre Haushaltseinnahmen schmälern würden. Problematisch ist auch die Entwicklung eines einheitlichen Ansatzes zur Preisgestaltung. Die EAWU-Staaten haben eine unterschiedliche Haushalts- und Sozialpolitik, sodass ihre Ansätze diesbezüglich noch erheblich variieren.
In Zukunft müssten die EAWU-Staaten ihre Zusammenarbeit und Integration weiter vertiefen, damit sich der Prozess der endgültigen und umfassenden Angleichung auf dem Arzneimittelmarkt verfestigen kann.
Welche Anforderungen müssen Arzneimittelhersteller erfüllen?
Gemäß den Empfehlungen des EAWU-Ausschusses sind Hersteller verpflichtet, Arzneimittel so herzustellen, dass der beabsichtigte Verwendungszweck, die Anforderungen des Registrierungsdossiers und (oder) das Protokoll der klinischen Prüfung eingehalten werden. Zu beachten ist außerdem, dass das Risiko bezüglich Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit für Patienten auf ein Mindestmaß reduziert wird.
Um das Risiko für Patienten zu minimieren, sollte ein umfassend entwickeltes und ordnungsgemäß funktionierendes pharmazeutisches Qualitätssicherungssystem einschließlich guter Herstellungspraxis und Qualitätsrisikomanagement geschaffen werden. Dieses System sollte dokumentiert und seine Wirksamkeit überwacht werden.
Alle Elemente des pharmazeutischen Qualitätssicherungssystems müssen mit qualifiziertem Personal ausgestattet sein, das über die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Ausrüstungen und technischen Mittel verfügt.
Zu den guten Herstellungspraktiken gehören einige Regeln und Anforderungen, die von dem Ausschuss der Kommission aufgestellt worden sind, damit Arzneimittel in der erforderlichen Qualität hergestellt werden können.
Einige davon sind:
- Kritische Phasen des Produktionsprozesses und wesentliche Prozessänderungen müssen validiert werden;
- Entsprechend geschultes Personal mit den erforderlichen Qualifikationen muss anwesend sein;
- Geeignete Räumlichkeiten und Bereiche, entsprechend Hygienestandards, müssen gegeben sein;
- Anforderungen an relevante Materialien, Behälter und Etiketten müssen eingehalten werden;
- Verfahren und Anweisungen gemäß dem pharmazeutischen Qualitätssystem;
- Angemessene Lagerungs- und Transportbedingungen;
- Während des Produktionsprozesses sollten technische Aufzeichnungen (handschriftlich und/elektronisch) einschließlich der entsprechend festgelegten Methoden und Anweisungen vorgesehenen Schritte erstellt werden. Aus diesen Aufzeichnungen muss auch hervorgehen, dass die Normen bezüglich Menge und Qualität des Mittels eingehalten worden sind;
- Alle signifikanten Abweichungen sollten vollständig dokumentiert und untersucht werden, um gegebenenfalls Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen zu ergreifen;
- Alle Aufzeichnungen sollten in verständlicher und zugänglicher Form aufbewahrt werden, einschließlich der Dokumentation zur Implementierung, anhand derer man den vollständigen Verlauf einer Serie nach verfolgen kann;
- Es muss ein Rückrufsystem für eine Reihe von Produkten aus dem Verkauf oder der Lieferung verfügbar sein;
- Reklamationen für gelieferte Produkte sind unverzüglich zu untersuchen, die Fehlerursachen erforschen und geeignete Maßnahmen sowohl im Hinblick auf minderwertige Produkte als auch zur Vermeidung solcher Fälle zu treffen.
Welche Anforderungen müssen Arzneimittelhändler erfüllen?
Um mit Arzneimitteln handeln zu können, sollte ein Qualitätssystem eingerichtet und aufrechterhalten werden. Das System definiert die Verantwortlichkeiten, Prozesse und Grundsätze des Risikomanagements. Alle Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verbreitung von Arzneimitteln sollten eindeutig identifiziert und analysiert werden. Wichtige Phasen des Großhandelsverkaufsprozesses sollten begründet und erforderlichenfalls validiert werden.
Das Qualitätssystem sollte durch technische Aufzeichnungen dokumentiert sein. Dadurch soll seine Wirksamkeit überwacht und analysiert werden können. Personalmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Qualitätssicherungssystem sollten in den entsprechenden schriftlichen Verfahren beschrieben werden. Es ist außerdem erforderlich, ein Qualitätshandbuch zu führen.
Durch ein solches System soll sichergestellt werden können, dass Arzneimittel unter Einhaltung der Regeln der guten Vertriebspraxis gekauft, gelagert, transportiert, geliefert oder ausgeführt werden können.
Dazu gehört zum Beispiel, dass alle Handlungen des Händlers so dokumentiert werden müssen, dass die Identität von Arzneimitteln nicht verloren geht und die auf der Verpackung von Arzneimitteln angegebenen Anforderungen eingehalten werden. Unabhängig von der Art des Transports muss jederzeit nachgewiesen werden können, dass die Qualität und Unversehrtheit der Arzneimittel nicht beeinträchtigt werden.
Onlinehandel von Arzneimitteln
Die russische Regierung unterzeichnete im Juni 2021 ein Dekret, das die Beschränkungen des Fernabsatzes von Arzneimitteln über den Onlinemarkt aufhebt. Auch kleinen und mittleren Apothekenketten und Händlern sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre eigenen Produkte auf der Website eines größeren Partners zu platzieren.
Insbesondere hebt das Dekret auch die Beschränkungen für den Verkauf von rezeptfreien Arzneimitteln für kleinere Apothekenketten, die maximal zehn Verkaufsstellen haben oder nicht über einen eigenen Onlinehandel oder eine Website verfügen. Außerdem soll dadurch auch eine umfassendere Infrastruktur geschaffen werden, damit die Verfügbarkeit von Arzneimitteln auch in entlegeneren Orten gewährleistet ist.
Für diesen Zweck hat auch die russische Post eine Lizenz für den Online-Handel von Arzneimitteln erhalten. Seit 2019 gibt es „Pilotapotheken“ in Postämtern, die Arzneimittel weiter verschicken. Im Logistikzentrum Wnukowo wurde eine große Kühlanlage für die Lagerung und Endverarbeitung von Arzneimitteln errichtet.
Ende 2021 ist auch der Start eines Pilotprojekts für den Onlineverkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geplant.
Da die EAWU perspektivisch eine Harmonisierung der Normen und Standards für alle Mitgliedstaaten in der Union plant, könnten auch im Onlinehandel in der Zukunft Angleichungen stattfinden.
Wie bereiten sich Hersteller auf den Export vor?
Um ein Arzneimittel in die EAWU zu exportieren, müssen drei Schritte erfolgen. Ein Beispiel anhand von Russland illustriert die Vorgehensweise.
Erster Schritt: Registrierung
Zunächst muss sich ein Exporteur im Informationssystem GIS MDLP registrieren. Das System ist eine Datenbank, das heißt sämtliche Dateien mit gespeicherten Kriterien wie zum Beispiel Registrierungsdatum, Menge, Kauffrequenz werden hier gesammelt. Ein ausländischer Hersteller muss zwingend einen russischen Vertreter angeben, der zuvor eine Zulassungsbestätigung der zuständigen Behörde (Bundesamt für Gesundheitsaufsicht – „Roszdravnadzor“) ausgestellt bekommen hat. Nur dadurch wird die Registrierung legalisiert, denn nach einer erfolgreichen Registrierung bekommt der Antragsteller einen eigenen Account im GIS MDLP und es wird eine elektronische Signatur ausgegeben. Eine solche Signatur wird jedoch nur an natürliche und juristische Personen aus der EAWU ausgegeben.
Nach erfolgreicher Registrierung weist GIS MDLP dem Antragssteller eine individuelle Registrierungsnummer für die Arzneimittelzirkulationseinheit zu und stellt ihm das persönliche Konto zur Verfügung.
Zweiter Schritt: Informationen über das Arzneimittel bereitstellen
Im zweiten Schritt müssen die Hersteller in ihrem persönlichen Konto der GIS MDLP-Anwendung das Arzneimittel detailliert beschreiben.
Die genaue Zusammensetzung der Informationen steht im Bundesgesetz N 61-FZ Art. 46:
Gemäß den dortigen Bestimmungen ist unter anderem zu beachten, dass die Informationen keinen werbenden Charakter haben dürfen, sie leicht lesbar sein müssen, verständlich und nicht irreführend sein dürfen.
Für das registrierte Arzneimittel muss eine individuelle Seriennummer und eine sogenannten „GTIN“ angegeben werden. Letztere ist die „Global Trade Item Number“, eine aus dem GS1-System stammende Identifikationsnummer, mit der Handelseinheiten ausgezeichnet werden und alle erforderlichen Informationen eintragen werden können.
Im Anschluss wird dem Antragssteller der Verifizierungscode und die elektronische Signatur bereitgestellt, womit jede einzelne Wareneinheit des Arzneimittels gekennzeichnet werden muss.
Dritter Schritt: Serialisierung und Aggregation vorbereiten
Um ihre Arzneimittel zu serialisieren, müssen spezielle Druckgeräte und die entsprechende Software vorbereitet werden. Serialisierung bedeutet hier die Vergabe der Seriennummer in Verbindung mit einem individuellen Identifikationscode in Form des Data-Matrix-Codes. Dies erfolgt unter Beteiligung von Server, der Database und der entsprechenden Software. Schließlich werden die einzelnen mit Codes gekennzeichneten Arzneimittel von ihren Einzelgrößen zu einer Gesamtgröße aggregiert, um so einen Gesamtüberblick der Charge zu bekommen.
Erst nachdem die Serialisierung abgeschlossen ist, kann das Arzneimittel nach Russland exportiert werden.
Quelle: Germany Trade & Invest