Eurasische Wirtschaftsunion treibt gemeinsamen Strommarkt voran
Bonn (GTAI) – Bis 2025 soll in der EAWU ein gemeinsamer Strommarkt eingerichtet sein. Obwohl es noch einiges zu tun gibt, ist es das vielversprechendste Projekt des gemeinsamen Energiemarktes.
18.02.2021
Von Verena Matschoß | Bonn
- Was bedeutet der gemeinsame Strommarkt?
- Startschuss soll im Jahr 2025 erfolgen
- Stromhandel innerhalb der EAWU noch ausbaufähig
- Russland steht für einen Großteil der Stromkapazität und -erzeugung
Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan und Russland haben sich bereits im Gründungsvertrag der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) darauf festgelegt, einen gemeinsamen Energiemarkt ins Leben zu rufen. Dieser soll einen gemeinsamen Strommarkt, Gasmarkt sowie Markt für Erdöl und Erdölprodukte umfassen.
Da sich die Interessen der rohstoffreichen Länder Russland und Kasachstan beim Handel mit Öl und Gas stark von denen der kleineren und rohstoffarmen Mitgliedstaaten unterscheiden, hat vor allem der gemeinsame Strommarkt Aussicht auf baldige Realisierung. Das Potenzial wäre groß, denn die Eurasische Wirtschaftsunion steht für fünf Prozent der weltweiten Stromerzeugung und ist damit nach eigenen Angaben viertgrößter globaler Stromerzeuger.

Emil Kaikiev, Mitglied des Kollegiums der Eurasischen Wirtschaftskommission und EAWU-Minister für Energie und Infrastruktur, misst dem gemeinsamen Strommarkt große Bedeutung bei:
„Die Schaffung eines gemeinsamen Strommarktes innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion stellt einen wichtigen Integrationsprozess im eurasischen Raum dar.“
Was bedeutet der gemeinsame Strommarkt?
Innerhalb des gemeinsamen Marktes sollen die nationalen Stromsysteme weiterhin parallel existieren, lediglich der Stromüberschuss soll auf einer internationalen Handelsplattform gehandelt werden. Dies garantiert, dass primär die nationalen Märkte mit Strom versorgt werden, auch wenn der Preis auf der Handelsplattform attraktiver als der inländische sein sollte.
Laut Kaikiev zielt der gemeinsame Strommarkt vor allem auf den Übergang zu Marktprinzipien ab, einschließlich der Preisbildung und eines fairen Wettbewerbs. Eine Handelsplattform auf internationaler Ebene soll den Markt koordinieren. Die EAWU-Staaten sollen einen diskriminierungsfreien Zugang zu den nationalen Übertragungsnetzen erhalten und Unternehmer ihre Stromlieferanten frei wählen können. Nach den Vorstellungen der EAWU wird das den grenzüberschreitenden Stromhandel ankurbeln und die Produktionskosten senken. Zudem sollen die Energiesicherheit erhöht und die Strompreise transparenter werden.
Um die Ziele des Strommarktes zu erreichen, werden nationale Reformen nötig sein. Dies wird einige Zeit in Anspruch nehmen, da sich die Strommärkte der Staaten teils stark unterscheiden. Beispielsweise wird der Strommarkt in Belarus staatlich reguliert, wohingegen der russische Markt weitgehend liberalisiert ist. Darüber hinaus unterscheiden sich die Stromtarife teilweise stark.
Startschuss soll im Jahr 2025 erfolgen
Mit der Unterzeichnung eines Zusatzprotokolls zum EAWU-Gründungsvertrag schufen die Staats- und Regierungschefs am 29. Mai 2019 einen gesetzlichen Rahmen zum Strommarkt. Im Dezember desselben Jahres folgte dann ein Aktionsplan mit konkreten Schritten zu dessen Verwirklichung. Nach Vorstellung der EAWU soll der gemeinsame Strommarkt spätestens am 1. Januar 2025 starten.
Wichtige Etappen für die Schaffung des gemeinsamen Strommarktes laut Aktionsplan vom Dezember 2019
Zeitplan | Maßnahme |
bis 1. Juli 2022 | Verabschiedung von Regeln für den Zugang zu zwischenstaatlichen Energieübertragungsdienstleistungen auf dem gemeinsamen Strommarkt |
bis 1. Oktober 2022 | Bestimmung von Organisationen für den zentralisierten Stromhandel |
bis 1. Januar 2024 | Annahme von Richtlinien zur Tariffestsetzung von Dienstleistungen von Infrastrukturorganisationen, die kein natürliches Monopol darstellen |
bis 1. Januar 2026 | Annahme eines Monitoring-Verfahrens für den gemeinsamen Strommarkt |
Einer Pressemeldung der Eurasischen Wirtschaftskommission zufolge wurden am 21. Januar 2021 auf einer Sitzung von Vertretern der zuständigen Behörden und Energieunternehmen der Eurasischen Wirtschaftsunion weitere grundlegende Fragen vor allem im Zusammenhang mit dem grenzüberschreitenden Stromtransit erörtert. Zudem einigten sie sich darauf, dass die Idee, einen übergreifenden Betreiber des Strommarktes ins Leben zu rufen, weiter verfolgt werden soll.
Stromhandel innerhalb der EAWU noch ausbaufähig
Bisher ist der Stromhandel innerhalb der EAWU gering. Größere Mengen an Strom exportieren nur Russland und Kasachstan. Mit der Inbetriebnahme des belarussischen Atomkraftwerks in Astrawez könnte Belarus versuchen, Strom nach Russland auszuführen. Allerdings produziert Russland selbst genug Strom, um den eigenen Markt zu versorgen. Da Armenien keine gemeinsame Grenze mit anderen EAWU-Staaten verbindet, ist das Kaukasusland nicht an einen Stromverbund der EAWU-Länder angeschlossen und bezieht von dort keinen Strom. Die anderen EAWU-Mitglieder verbindet bereits seit Sowjetzeiten ein gemeinsames Stromnetz.

Russland steht für einen Großteil der Stromkapazität und -erzeugung
Wie auch in anderen Wirtschaftsbereichen dominiert die russische Wirtschaft den Strommarkt stark. So steht Russland für über 85 Prozent der Stromerzeugung und installierten Stromleistung. Zum Vergleich: Mit 7,6 Milliarden Kilowattstunden stand Armenien im Jahr 2019 für nur 0,6 Prozent der Stromerzeugung.

Weitere Informationen:
Eurasische Wirtschaftsunion will Energiemarkt liberalisieren
Quelle: Germany Trade & Invest