Eurasische Wirtschaftsunion digitalisiert Verkehrswege
Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU; Mitglieder: Russland, Kasachstan, Belarus, Armenien und Kirgisistan) will die nationalen Kontrollsysteme im Transportsektor besser untereinander vernetzen. Ziel ist, über ein länderübergreifendes Informationssystem Daten vom Zoll, von der Verkehrs- und Wetterüberwachung und von nationalen Mautsystemen zu erfassen und auszutauschen.
Ein digitales Kfz-Register soll die Grundlage für diesen länderübergreifenden Datenaustausch schaffen. Die Mitgliedstaaten haben beschlossen, noch dieses Jahr einen digitalen Kfz-Schein einzuführen. Er soll den herkömmlichen Fahrzeugschein ersetzen und damit die Zulassung von Fahrzeugen vereinfachen. Dabei will die Eurasische Kommission die Herkunft der Kfz besser nachvollziehen und die Verkehrssicherheit optimieren. Es wird erfasst, inwieweit die Fahrzeuge den geltenden technischen Standards entsprechen. Die Verkehrspolizei kann auf die Daten zugreifen und sie zum Beispiel nach einem Unfall aktualisieren.
Zoll kontrolliert auf digitalen Wegen
Auch bei der Zollabwicklung an den Außengrenzen der Eurasischen Wirtschaftsunion kommen vermehrt digitale Technologien zum Einsatz. Frachtpapiere und Zertifikate können in Belarus fast an allen Grenzen digital eingereicht und verarbeitet werden. Russland eröffnet seine erste digitale Zollstation in Nischni Nowgorod im Oktober 2018. In Kasachstan, Armenien und Kirgisistan können Frachtführer ab April 2018 ihre Zollerklärungen auf elektronischem Weg abgegeben.
Mit einem Pilotprojekt zur Überwachung von Frachten bringt die Eurasische Wirtschaftsunion das digitale Zollverfahren auf eine neue Ebene. Am 25. September 2018 startete in Russland und Kasachstan eine Testphase, die bis 1. November 2018 dauert. In dieser Zeit werden Lkw, die Waren über russisches Territorium nach Kasachstan fahren, mit so genannten digitalen Plomben ausgestattet. Diese Plomben enthalten einen Chip, auf dem alle Informationen zur Fracht hinterlegt sind und der sich orten lässt.
Eine weitere Maßnahme für eine beschleunigte digitale Zollabwicklung ist die Kennzeichnung von Waren. Die Mitgliedsländer einigten sich darauf, Medikamente, Pelz- und Tabakwaren sowie Schuhe und Bekleidung mit Etiketten oder Barcodes mit Radiofrequenzidentifikation (RFID) zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung speichert eine Produktnummer und Information über den Produktionsort und Hersteller. Die Daten werden mit der elektronischen Zollerklärung zusammengeführt, wenn es sich um Importwaren handelt. So will die Wirtschaftsunion Falschdeklarationen und Schwarzhandel unterbinden. Russland kennzeichnet Pelzwaren bereits seit 2016. In Armenien startet am 1. November 2018 eine Testphase für Pelzwaren.
Der länderübergreifende Informationsaustausch optimiert zudem die Logistik im Schienenverkehr. Die belarussische Eisenbahn BZD und die russische Eisenbahn RZD haben am 22. Oktober ein elektronisches Auftragssystem für Containertransporte gestartet. Spediteure erhalten online einen Überblick über Abfahrt und Ankunft von vollen und leeren Containern. Sie können online Lieferungen zwischen Russland und Belarus beantragen und Frachtpapiere einreichen. Von der elektronischen Abwicklung sind Lieferungen nach Kaliningrad ausgeschlossen.
Mitgliedstaaten digitalisieren ihre Verkehrswege
Transportkorridore, auf denen Fahrzeuge digital mit der Infrastruktur vernetzt sind oder gar autonomes Fahren möglich ist, sind noch eine Zukunftsvision. Bisher sind Lkw nicht in allen EAWU-Ländern mit telematischen Lösungen wie Navigationssystemen, Fahrzeugortung oder Fahrerassistenzsystemen ausgestattet.
Die EAWU-Staaten verfolgen derzeit Projekte zur Digitalisierung ihrer Transportwege. In Belarus werden Autobahnen mit Sensoren zur Wetterüberwachung, mit GPS-Technik, Videokameras und Straßenwaagen (Weight-in-Motion) ausgestattet. Mit letzteren lassen sich überladene Lkw und Pkw leichter aufspüren.
In Kasachstan hat die Regierung im Juni 2018 ein elektronisches Mautsystem auf den Strecken Almaty-Chorgos, Astana-Temirtau und Almaty-Kaptschagai installiert. Fahrzeuge, die auf diesen Routen unterwegs sind, müssen eine digitale Vignette im Fahrzeug mitführen. Die Plakette wird per Radiofrequenzidentifikation ausgelesen. Die Mautgebühr ist darauf wie auf einer Telefonkarte gespeichert und kann immer wieder neu aufgeladen werden. Auf den neuen Mautstrecken gibt es außerdem eine Wetter- und Verkehrsüberwachung und Weight-in-Motion-Systeme.
Auf den föderalen Straßen in Russland ist seit 2015 das Mautsystem „Platon“ in Betrieb. Es enthält eine Ortungsfunktion, die über den russischen Fernnavigationssatelliten GLONASS läuft und mit Sensoren und Verkehrsüberwachung verbunden ist. Künftig soll das System Daten vom chinesischen Navigationssatelliten Beidou verarbeiten können. Dadurch soll der Informationsaustausch an der russisch-chinesischen Zollgrenze einfacher werden.
Transportwirtschaft ist international wenig konkurrenzfähig
Der Logistics Performance Index der Weltbank zeigt, dass die EAWU-Länder auf einem unterschiedlichen Stand bei der Entwicklung ihrer Transportwirtschaft sind. Es fehlt nicht nur an einer flächendeckenden Mobilfunkabdeckung auf den Straßen. Es besteht ein grundsätzlicher Nachholbedarf. In den Kategorien Zollabwicklung, Pünktlichkeit und Infrastruktur liegen die EAWU-Staaten im internationalen Vergleich im unteren Mittelfeld. Derzeit bauen die Länder im Rahmen der Seidenstraßeninitiative der chinesischen Regierung ihre Transitinfrastruktur aus.
Markt für Straßentransporte von ausländischen Anbieter ist geöffnet
Die digitale Vernetzung soll die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) auch dem Ziel näher bringen, einen gemeinsamen Markt für Transportdienstleistungen zu schaffen. Bis 2025 soll der gemeinsame Markt Realität werden.
Derzeit wird der Transportmarkt für Dienstleistungen von ausländischen Anbietern (Kabotage) geöffnet. Im Jahr 2017 haben sich die Mitgliedstaaten auf ein Programm für „Kabotage-Transporte im Straßenverkehr“ geeinigt. Ausländische Spediteure dürfen demnach seit 2018 ihre Dienstleistungen im Straßenverkehr der EAWU-Länder anbieten. Ab 2019 soll der Markt auch für Reedereien und Luftfracht-Anbieter liberalisiert werden.