Eurasische Wirtschaftsunion reguliert gemeinsamen Finanzmarkt
Die Eurasische Wirtschaftsunion hat Standards zur Lizenzierung von Banken und Versicherungen definiert. Zudem plant sie, eine Aufsichtsbehörde für den Finanzmarkt zu schaffen.
Von Kathleen Beger | Bonn
Die Länder der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) – Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan und Russland – wollen bis 2025 einen gemeinsamen Finanzmarkt einrichten. Dieser soll den freien Kapitalverkehr ermöglichen und Banken, Wertpapierbörsen sowie Versicherungen umfassen. Auf einem Gipfeltreffen in Eriwan am 1. Oktober 2019 hat der Höchste Eurasische Wirtschaftsrat hierzu ein neues Konzept beschlossen.
Lizenzierung von Banken und Versicherungen
Um sich künftig gegenseitigen Zugang zu ihren Finanzmärkten gewähren zu können, müssen sich die EAWU-Staaten bis 2025 über harmonisierte Standards zur Lizenzierung von juristischen Personen im Banken- und Versicherungswesen sowie zur grenzüberschreitenden Bereitstellung von Finanzdienstleistungen verständigen. Zudem müssen sie gemeinsame Kriterien formulieren, anhand derer Finanzdienstleistungen bewilligt oder abgelehnt werden sollen.
Zur Regulierung haben sie folgende Prinzipien festgehalten:
- Verständlichkeit und Zugang allgemeiner Regeln für Regulierung und Aufsicht;
- Transparenz bei der Arbeit der Regulierungsorgane und der Aktivität der Teilnehmer am Finanzmarkt;
- harmonisierte Regulierung und Aufsicht in Übereinstimmung mit internationalen und allgemeinen Prinzipien (Empfehlungen).
Zu den Regulierungsorganen gehören:
- die nationalen Regulierungsorgane der Länder, die bevollmächtigt sind, die nationale Finanzmarktpolitik zu realisieren (i.d.R. die Zentralbanken);
- die Organe der Union, die im Rahmen des Unionsvertrags und anderer internationaler Verträge dazu bevollmächtigt sind oder bevollmächtigt werden;
- die supranationale Finanzmarktaufsichtsbehörde.
Gegenseitiger Zugang zum Finanzmarkt
Banken und Versicherungen, die grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen anbieten möchten, sollen hierfür folgende Möglichkeiten haben:
- Einrichtung von Tochtergesellschaften;
- Eröffnung von grenzüberschreitenden Filialen;
- Grenzüberschreitende Gewährung von Finanzdienstleistungen (ohne kommerzielle Präsenz).
Tochtergesellschaften
Um eine Tochtergesellschaft einrichten zu können, müssen Banken und Versicherungen ein standardisiertes Lizenzierungsverfahren durchlaufen. Dieses müssen die EAWU-Länder in einem internationalen Vertrag genau definieren. Das Lizenzierungsverfahren führen sie jedoch erst ein, nachdem der hierzu geschlossene Vertrag in Kraft getreten ist, nicht jedoch vor dem 1. Januar 2025.
Geplant ist, dass das Regulierungsorgan des Landes, in dem die Muttergesellschaft angesiedelt ist, die Lizenz ausstellt. Innerhalb der EAWU sollen einheitliche Anforderungen für den Erhalt einer Lizenz gelten.
Banken und Versicherungen müssen folgende Kriterien erfüllen:
Banken:
- Eigenmittel: mindestens 60 Millionen US-Dollar (Ausnahme Kirgisistan: 50 Millionen US-Dollar)
- Eigenkapitalquote: mindestens 12,5 Prozent
Versicherungen:
- Eigenmittel: mindestens 10,4 Millionen US-Dollar für Lebens-/Nicht-Lebensversicherungen (Ausnahme Kirgisistan: 5 Millionen US-Dollar)
- Solvabilitätsquote: mindestens 1,2 Prozent (Die Solvabilitätsquote gibt das Verhältnis zwischen den Eigenmitteln und dem nach Anlagerisiko gewichteten Wert der Kapitalanlagen eines Versicherers an. Je höher die Quote, desto mehr Risiken darf der Versicherer gemäß den Anlagevorschriften eingehen.)
Grenzüberschreitende Filialen
Die Eröffnung grenzüberschreitender Filialen erfolgt im Rahmen der Vorgaben, die die Welthandelsorganisation (WTO) hierfür festgelegt hat.
Grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen (ohne kommerzielle Präsenz)
Banken und Versicherungen sollen künftig auch grenzüberschreitend Finanzdienstleistungen anbieten können, ohne dass sie über eine kommerzielle Präsenz in dem jeweils anderen Land verfügen. Die hierfür geltenden Bedingungen müssen die EAWU-Staaten noch abstimmen. Dazu zählen beispielsweise der Schutz von Verbraucherrechten, die Regulierung grenzüberschreitender Streitigkeiten sowie der Austausch und Schutz von Personendaten.
Schaffung eines einheitlichen Zahlungsraums
Die Bereitstellung grenzüberschreitender Finanzdienstleistungen setzt einen einheitlichen Zahlungsraum voraus. Die EAWU-Länder müssen deshalb ihre nationalen Systeme der Kartenzahlung, der Übertragung von Finanzmitteilungen und Rechnungen harmonisieren. Sie werden sich dabei am internationalen Zahlungsverkehrsstandard gemäß der Norm ISO 20022 orientieren.
Mehr Informationen finden Sie hier: Eurasische Wirtschaftsunion vereinheitlicht Zahlungsverkehr
Außerdem verpflichten sich die fünf EAWU-Staaten, modernste Finanztechnologien (FinTech) einzusetzen, um Echtzeit-Überweisungen zu ermöglichen sowie digitale Akkreditive und Hypothekenscheine auszustellen. Darüber hinaus wollen sie den Zahlungsverkehr stärker kontrollieren und Informationen austauschen, um gemeinsam gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorzugehen.
Mehr Informationen finden Sie hier: Eurasische Wirtschaftsunion setzt auf FinTech
Supranationale Finanzmarktaufsichtsbehörde geplant
Das am 1. Oktober 2019 beschlossene Konzept sieht auch die Schaffung einer supranationalen Aufsichtsbehörde vor, die den gemeinsamen Finanzmarkt regulieren soll. Ihre konkreten Befugnisse und Funktionen müssen zwar noch in einem gesonderten internationalen Unionsvertrag definiert werden. Die EAWU-Staaten haben sich jedoch bereits über allgemeine Aufgaben verständigt. Hierzu gehören:
- die Analyse der Gesetzgebung der EAWU-Länder im Hinblick auf ihren jeweiligen Finanzsektor und dessen Übereinstimmung mit internationalen Standards;
- die Ausarbeitung von Empfehlungen zur Einführung internationaler Standards;
- die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und Regulierungsorganen des Finanzmarkts;
- die Vertretung der Interessen der EAWU-Länder auf internationaler Ebene;
- die laufende Analyse der Finanzmärkte der EAWU-Länder;
- die Einführung eines einheitlichen Informationsregisters, das die Subjekte des gemeinsamen Finanzmarkts ausweist (Banken, Versicherungen, professionelle Teilnehmer am Wertpapiermarkt u. a.).
Mehr Informationen finden Sie hier:
Eurasische Wirtschaftsunion plant gemeinsamen Finanzmarkt bis 2025
Quelle: Germany Trade & Invest