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Gemeinsamer Finanzmarkt der EAWU nimmt Gestalt an

Einheitliche Zahlungsstandards und ein harmonisierter Rechtsrahmen sollen Hürden für Finanztransaktionen beseitigen / Von Edda Wolf und
Viktor Ebel

Bonn (GTAI) – Die Mitgliedstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion haben das Konzept zur Bildung des gemeinsamen Finanzmarktes, das 2019 ausgearbeitet wurde, am 11. Dezember 2020 auf der Sitzung des Obersten Eurasischen Wirtschaftsrates genehmigt. Dieses sieht zahlreiche Erleichterungen bei der Abwicklung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs für Unternehmen und Bürger vor.

Der gemeinsame Finanzmarkt soll den freien Kapitalverkehr ermöglichen und einen vereinfachten, diskriminierungsfreien Zugang von Finanzunternehmen zu den Märkten der anderen EAWU-Länder gewährleisten. Dabei umfasst der Finanzmarkt Banken, Versicherungen und den Wertpapiermarkt.

Eurasische Antwort auf SWIFT und SEPA

Ein eigenes Zahlungssystem mit einheitlichen Standards (ähnlich SEPA) soll den Zahlungsverkehr innerhalb der EAWU vereinfachen. Unternehmen und Bürger können künftig ohne administrative Hürden in allen Mitgliedsländern:

  • Konten eröffnen,
  • Überweisungen durchführen,
  • Gelder anlegen,
  • Kredite aufnehmen.

Um dies zu ermöglichen, wird ein Informationssystem für den grenzüberschreitenden Austausch von Bankdaten eingerichtet. Hierzu wurde der Entwurf einer Vereinbarung über das Verfahren für den Austausch von Informationen zu Kreditverläufen ausgearbeitet, damit das Kreditrisiko eines potenziellen Kreditnehmers bewertet werden kann. Dies wird zur Entwicklung eines grenzüberschreitenden Kreditmarktes in der EAWU beitragen und den Zugang von Investoren zu Finanzierungslösungen verbessern.

Freier Marktzugang für Banken und Versicherungen

Außerdem sollen Banken künftig ohne Zustimmung der nationalen Finanzaufsichten in anderen Mitgliedstaaten Filialen und Tochterfirmen eröffnen können. Hierzu soll die Vereinheitlichung der nationalen Vorschriften für die Akkreditierung von Finanzinstituten beschleunigt werden.

Um die gegenseitige Zulassung von Tochterunternehmen von Banken und Versicherungen (kommerzielle Präsenz) sicherzustellen, sieht das Konzept eine standardisierte Lizenzvereinbarung vor, die von der Zentralbank Russlands entwickelt wurde. In einer zwischenstaatlichen Vereinbarung werden das Verfahren und die Bedingungen für die Erteilung und den Widerruf (die Aussetzung) einer standardisierten Lizenz, die Anforderungen an den Antragsteller und das Verfahren für deren Überarbeitung festgelegt.

Gemeinsamer Wertpapiermarkt

Der gemeinsame Finanzmarkt umfasst auch Börsen und andere Handelsplattformen für Wertpapiere und Derivate. Brokern und Händlern eines EAWU-Staates wird künftig die Teilnahme an den Börsen und Handelsplätzen der anderen Mitgliedsländer ermöglicht.

Dazu hat die Eurasische Wirtschaftskommission den Entwurf eines Abkommens über die Zulassung von Brokern und Händlern ausgearbeitet. Das Abkommen regelt, dass nationale Börsen Lizenzen von Brokern und Händlern anerkennen, die von den dafür von den Unionsstaaten zugelassenen Stellen ausgestellt wurden. Ferner wird Brokern und Händlern die Möglichkeit gegeben, direkt an Ausschreibungen für den Abschluss von Verträgen über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren und derivativen Finanzinstrumenten teilzunehmen.

Die Zulassung von Brokern und Händlern eines Landes zum organisierten Handel an der Börse eines anderen EAWU-Staates erfolgt zu gleichen Bedingungen. Dies vorbehaltlich der Einhaltung der Anforderungen der Gesetzgebung des EAWU-Staates, in dem die Börse registriert ist.

Bei Zulassung zum Börsenhandel haben Broker und Händler die Möglichkeit, Aufträge zu erteilen und Transaktionen im organisierten Handel abzuschließen, Clearing-Teilnehmer zu werden, die Dienste einer Clearing-Organisation in Anspruch zu nehmen, technischen Zugang zum organisierten Handel und Clearing zu erhalten sowie Konten in den Verwahrstellen von EAWU-Ländern zu eröffnen. Dies auch im Fernzugriff.

Ergänzt wird dies durch den Entwurf eines Abkommens über die gegenseitige Zulassung zur Platzierung und zum Umlauf von Wertpapieren im Börsenhandel der EAWU-Länder. Durch dieses Abkommen sollen die Verfahren für die gegenseitige Anerkennung von Wertpapieremissionen und deren Zulassung an den Börsen harmonisiert werden. Das Dokument zielt darauf ab, die gegenseitige Zulassung von Wertpapieren zu gewährleisten, die im Börsenhandel in anderen Staaten platziert und in Umlauf gebracht werden sollen, sowie die freie Ausgabe und den Handel mit Wertpapieren im gemeinsamen Börsenraum sicherzustellen.

Supranationale Finanzmarktaufsichtsbehörde geplant

Eine supranationale Aufsichtsbehörde soll den gemeinsamen Finanzmarkt regulieren. Nach Abschluss der Harmonisierung der Rechtsvorschriften werden die EAWU-Mitgliedsländer über die Befugnisse und Funktionen eines supranationalen Gremiums zur Regulierung des Finanzmarkts entscheiden und es mit Standort in der Stadt Almaty (Kasachstan) gründen.

Ziele der Schaffung des gemeinsamen Finanzmarktes

Die Integration des Finanzmarktes soll bis zum Jahr 2025 abgeschlossen sein. Laut dem für Wirtschaft und Finanzpolitik zuständigen Minister der Eurasischen Wirtschaftskommission, Timur Zhaksylykov, zielt die Verwirklichung des gemeinsamen Finanzmarktes auf:

  • einen erweiterten Zugang zu Finanzprodukten und -ressourcen für Unternehmen und Bürger,
  • die Beseitigung von Hindernissen für die gegenseitige Zulassung von Finanzinstituten und Versicherungen,
  • die Stärkung des Wettbewerbs auf dem Finanzdienstleistungsmarkt,
  • die Gewährleistung eines effizienten Schutzes von Investoren und Verbrauchern von Finanzdienstleistungen,
  • die Verbesserung der Interaktion der Finanzaufsichtsbehörden.

Weitere Informationen zum gemeinsamen Finanzmarkt der EAWU lesen Sie im Artikel „Eurasische Wirtschaftsunion reguliert gemeinsamen Finanzmarkt“.

Quelle: Germany Trade & Invest